Vier Tage im Wendland

bei den Protesten gegen die Atompolitik

- Ein Bericht -

Bereits vor etwa zwei Jahren bei dem letzten Castor-Transport, anläßlich dessen ich nach Dannenberg zur Gegendemonstration gefahren war, hatte ich beschlossen, an der Blockade des nächsten Castor-Transports teilzunehmen. Die unsäglichen, undemokratischen Geheimverträge der Bundesregierung mit den Stromkonzernen, die anschließenden Kabinettsbeschlüsse und schließlich die Abstimmung im Bundestag über die Aufhebung des sogenannten Atomkonsenses mit der Ausweitung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, das alles angesichts der ungelösten Endlagerfrage bekräftigten meinen Entschluß.

X-tausendmal quer, eine Organisation, der ich mich seit langem verbunden fühle, wollte die Sitzblockade bei Gorleben organisieren und hatte die Teilnehmer aufgefordert, möglichst frühzeitig ins Camp bei Gedelitz, einem kleinen Dörfchen südwestlich von Gorleben, zu kommen.
Ich machte mich also am Freitag, den 5. November, auf den Weg: per Zug von Oldenburg nach Bremen, von dort nach Uelzen und in einem dritten Zug weiter nach Schnega, dann mit dem Bus bis Lüchow und einem weiteren Bus bis Trebel, die letzten vier Kilometer wollte ich zu Fuß oder per Anhalter bewältigen. Eine komplizierte sechsstündige Fahrt durch Niedersachsen vor allem, weil der Bahnverkehr nach Dannenberg bereits im Vorfeld des Castor-Transportes eingestellt worden war.
In jedem Zug fiel mein Gepäck auf. Wer fährt im November mit Zelt und Schlafsack durch die Gegend?
So hagelte es Bemerkungen: „Geht‘s zum Campen?”, „Na, auf Wanderschaft?” usw.
Wenn ich dann erzählte, dass ich zur Castor-Blockade nach Gorleben fahre, wurde schnell das halbe Zugabteil aufmerksam. Die Sympathie war groß, es gab keine einzige ablehnende Bemerkung, Glückwünsche und Bewunderung prägten die Kommentare.

Jedesmal, wenn ich ins Wendland komme, freue ich mich an der Optik des Widerstandes: Kein Bauernhof, kein Gartenzaun ohne gelbes Lattenkreuz, die Dörfer geschmückt mit „Atomkraft - Nein danke!”-Fahnen, an den Bushaltestellen Anti-AKW-Parolen, an den Äckern stehen der Straße entlang phantasievolle und witzige Puppen, alle möglichen Tier- oder Phantasiefiguren mit Schildern: „Wir stellen uns quer”, „Castor-Alarm”, „Kernkraft war gestern”, „Keine Ferkeleien, Frau Merkel”, „Schwarz-Gelb Endlagern!”, „Nix Castor”, usw. und eine große Zahl zusammengebrochener, verrotteter gelber Xe zeigt, wie lange der Widerstand in diesem Landkreis schon anhält.

In Lüchow am Busbahnhof - einem kleinen Platz mit Busparkplatz in der Mitte und vielleicht acht Bushaltestellen rundherum - wurde zum ersten Mal richtig sichtbar, wie viele Menschen wegen des Castor-Transportes unterwegs waren. An jeder Bushaltestelle standen viele sichtlich Ortsfremde mit großen Rucksäcken in kleineren und größeren Gruppen herum und warteten auf ihre Busse in die verschiedensten Richtungen zu einem der elf Camps der Antiatomkraftbewegung.
In Trebel schließlich kam mir aus einer Gastwirtschaft eine große offensichtlich den Grünen zugehörige Menschenmenge entgegen. Auf der Straße nach Gedelitz wurde ich innerhalb von 2 Minuten von einem Autofahrer aufgelesen, der nach Hitzacker zu einer Anti-AKW-Veranstaltung wollte, aber ganz neugierig darauf war, wo das Camp Gedelitz lag und mich deshalb bis vor den Eingang brachte.

Vom Dorf Gorleben führt die Straße K2 in südsüdwestlicher Richtung nach 2 km zwischen dem Zwischenlager (rechter Hand) und dem Erkundungsbergwerk (links) hindurch, macht dort einen Rechtsknick und führt dann in fast genau westlicher Richtung nach 2,5 km in das Dörfchen Gedelitz.

Gorleben-Karte
Die Karte stellt den Aktionsradius der Blockade-Aktion von x-tausendmal quer dar. An dem Wegknick zwischen Gedelitz und Gorleben liegt links das Zwischenlager, in der Mitte das Erkundungsbergwerk, auf dessen Gelände sich eine große Polizeikaserne befindet, ganz rechts unten ist eine Salzabraumhalde.

Am Ortseingang liegt gleich links eine Gaststätte mit Saal. Vor dieser Gaststätte waren zwei große Wiesen in einer Breite (entlang der Straße) von ca. 140 m und einer Länge von ca. 260 m plattgewalzt. In der Nähe der Gaststätte, z.Tl. auch noch Nebengebäude der Gaststätte einbeziehend, waren bereits mehrere große Zelte aufgebaut: Ein großes, rundes Zirkuszelt als Versammlungsraum, ein flacheres, vielleicht 25 m langes Zelt als „Speiseraum”, 3 Küchenzelte, diverse Versorgungszelte mit Materiallager, ein „Info-Zelt”, ein Pressezelt, ein Kiosk, ein Zelt „Helfende Hände”, ein Waschzelt, ein Sanitätszelt und ein Strohzelt. Dazu standen ca. 20 selbstgebaute Kompostklos auf dem Gelände. Weiter hinten auf der Wiese sah man eine größere Anzahl von Wohnzelten (ca. 5x6 m) und eine ganze Menge kleiner Campingzelte.

An der Straße wimmelte es vor Menschen, die ankamen, und vor Hinweisschildern: „Neuankömmlinge bitte ins Info-Zelt”, „Parken bitte nicht an der Straße. Parkplatz 50 m links”, „Presse nicht unangemeldet aufs Gelände, Anmeldung im Pressezelt” usw.
Im Info-Zelt war ein Computer aufgebaut, in dem die ganze Zeit der Castor-Ticker mit allen aktuellen Meldungen lief. Die wichtigeren davon wurden fortlaufend auf eine große Wandzeitung geschrieben. Dann gab es Wandzeitungen mit Veranstaltungsplanungen: Aktionstraining, Bezugsgruppenfindung, Abendessen, SprecherInnenrat, Treffen von verschiedenen Arbeitsgruppen usw. Große leere Wandzeitungen für die Suche nach Mitfahrgelegenheiten, nach Bekannten, oder für irgendwelche Verlust- und Suchmeldungen standen allen zur Verfügung.
Ansonsten war die Information eher spärlich: Man hörte: Bau dein Zelt auf, oder, wenn du keines hast, such dir einen Platz in einem Gemeinschaftszelt und stopf dir einen Strohsack. Dann komm wieder hierher. Gut. Auf dem Weg ins Camp die ansteigende Wiese hoch entdeckte ich erst, wie groß die Campfläche war. Die hinteren 3/5 der Fläche lag hinter dem Hügel und war vorher noch gar nicht zu sehen. Dort standen auch bereits einige Wohnzelte, aber der größte Teil dieser Fläche war noch leer. Auf der ganzen Fläche waren mit rot-weißem Markierungsband Wege abgesteckt, die offensichtlich frei bleiben sollten. Ich suchte mir einen gut geeigneten Platz, an dem ich mein Zelt aufstellte, packte meinen Rucksack aus, weihte eines der Kompostklos ein und ging dann zum Strohzelt.
Dies war ein Zelt in der Größe der Wohnzelte annähernd vollgefüllt mit Strohballen und am Eingang lagen eine große Menge Säcke aus Plastiknetz, wie sie auch für Kartoffeln verwendet werden. Es gab zwei verschiedene Größen. Ich fragte einige der Leute, die sich dort Säcke stopften, wofür diese eigentlich gedacht wären, und erhielt die Antwort: In der Blockade wirst du für eine Sitzgelegenheit dankbar sein, und zum Schlafen kannst du dir Stroh auf die Straße streuen, das ist ein guter Nässe- und Kälteschutz.
Ich stopfte mir also einen Strohsack, legte ihn in mein eigenes Zelt und begab mich erneut zum Infozelt. Dort waren inzwischen völlig andere Leute und viele, viele Neuankömmlinge. Ich fand eigentlich niemanden, der mir weiteres sagen konnte, merkte mir die Zeiten für das Aktionstraining, an dem ich noch teilnehmen wollte, und ging zum Zelt „Helfende Hände”, um mich nützlich zu machen.
Dort traf ich C., eine kleine, ältere Frau aus der Nähe von Stuttgart, die an einem Tisch saß, eine ganze Kiste mit Knoblauch vor sich und diesen schälte. Ich fragte sie, ob hier helfende Hände gesucht oder geboten würden. Sie sagte mir, dass hier alle nötigen Arbeiten verteilt würden und wies mich auf eine Wand voller Arbeitsangeboten, die ich zunächst studierte. Nach einigen Nachfragen trug ich mich für das Flugblattverteilen am nächsten Morgen in Dannenberg ein. Dann sagte ich ihr, dass ich ja eigentlich etwas für jetzt und sofort suchte und bot an, ihr beim Knoblauchschälen zu helfen.
Das nahm sie dankbar an, und so schälten wir die nächsten zwei Stunden Knoblauch - eine erstaunlich langwierige Arbeit. Ich erfuhr, dass C. in einem Privatquartier in der Nähe untergebracht war und von dort zum Camp pendelte. Zwischendurch bot sie mir mehrmals an, das Knoblauchschälen wieder zu lassen, aber ich erklärte ihr, das sei nicht meine Art, eine Arbeit anzufangen, und sie dann nicht zu beenden.

Ich unterbrach dies dann aber doch, um zum Abendessen zu gehen. Dort lernte ich einige Leute kennen, die ich nach einer Bezugsgruppe fragte.
R. bot mir an, in ihre Bezugsgruppe von einigen älteren Semestern miteinzusteigen, sie könnten noch Mittuende gebrauchen. Ihre Bezugsgruppe nannte sich die „Grauen Zellen”. Diese Gruppe sollte sich allerdings erst am Samstag abend wieder treffen. Außerdem erfuhr ich durch einen Ausruf, dass Leute als Scouts gesucht wurden, die gut Kartenlesen und sich orientieren können, und beschloss dort nachzufragen.

Nach dem Abendessen wollte ich zum Aktionstraining, das aber ausfiel - die einzige Sache in den vier Tagen, wo etwas angekündigt wurde, was dann nicht zustandekam. So entschloss ich mich, das dreistündige Aktionstraining am Samstag morgen zu besuchen, mußte dafür allerdings mich beim Flugblattverteilen wieder austragen. So schälte ich dann noch weiter Knoblauch.
Später fand dann der SprecherInnenrat statt. Ich fragte C., ob es möglich wäre, dort teilzunehmen. Sie sagte mir, Teilnehmer wären eigentlich nur die SprecherInnen der Bezugsgruppen, aber Beobachter wären schon zugelassen. So entschloss ich mich, dort hinzugehen.

SprecherInnenrat

Im Saal der Gaststätte glühte ein großer Ofen und die Wärme verbreitete sich in dem Saal, in dem ein großer Stuhlkreis aufgestellt war. Etwa 50-60 Menschen versammelten sich nach und nach und setzten sich in den Kreis, der bald zum Doppelkreis wurde. Ich hielt mich im Hintergrund, war doch bloß Beobachter. Drei Leute eröffneten den SprecherInnenrat und stellten sich selbst als Moderatoren-Team vor und forderten die Versammlung auf, sie als Moderatoren des SprecherInnenrates zu bestätigen. Dagegen gab es keine Einwände. Im Anschluß wurden verschiedene Arbeitsbereiche von x-tausendmal quer, die dazugehörenden Menschen vorgestellt und über deren bisherige vorbereitende und weitere Arbeit im einzelnen berichtet, und die Versammlung gebeten, den jeweiligen Aktivisten ein Mandat zu erteilen und sich an der Arbeit nach Interesse zu beteiligen. Folgende Arbeitsbereiche stellten sich vor:

Das ModeratorInnen- und TrainerInnenteam (MuT): Zuständig für die Durchführung der Aktionstrainings und der Gesprächsführung im SprecherInnenrat.

Die Aktionsunterstützung (AU): Zuständig für die Bereitstellung aller notwendigen Materialien und für die Transporte.

Polizeikontakt (PoKo): Zuständig für alle Verhandlungen mit der Polizei; die PoKos hatten gelbe Leuchtwesten mit der Aufschrift x-tausendmal quer - Polizeikontakt.

Die Ideenwerkstatt: Zuständig für die Entwicklung der taktischen Möglichkeiten in der Aktion; diese Gruppe ist die einzige geschlossene Gruppe, die ihre Überlegungen nicht vorher mitteilt.

Das Presseteam: Eine Gruppe von PressesprecherInnen und Kontaktleuten zu JournalistInnen, Radio- und Fernsehteams, die immerzu Leute suchten, die zu Interviews bereit waren.

Die Gelben: Zuständig für die emotionale Unterstützung der AktivistInnen, sozusagen die Engel der Aktion; diese Gruppe erwartete kein Mandat vom SprecherInnenrat.

Schließlich die juristische Selbsthilfe mit dem Ermittlungsausschuß (EA): Eine Gruppe von RechtsanwältInnen, die überwachend während der ganzen Aktion präsent, gleichzeitig in einem Büro jederzeit für alle telefonisch erreichbar, z.B. bei Ingewahrsamnahme und schließlich nachbereitend für alle juristischen Auseinandersetzungen tätig sind.

Während des Treffens wurde erfasst, welche SprecherInnen für welche Bezugsgruppen anwesend waren und wieviele Personen durch sie jeweils vertreten wurden. Am Ende wurde bekannt gegeben, dass 48 Bezugsgruppen mit insgesamt 300 vertretenen Personen anwesend waren.
Eine Reihe von Aktivitäten, die bereits gemacht worden waren, und die Personen, die in den Arbeitsbereichen tätig waren, erhielten von der Versammlung durchweg unkompliziert ein Mandat. Nur einige Fragen, die in der Zukunft lagen, wollten die SprecherInnen nicht bestätigen, sondern verlangten, dass diese Frage zunächst in den Bezugsgruppen besprochen werden sollten.
Vor allem wurde besprochen, welcher Stand des Campaufbaus erreicht wurde. Dabei wurde deutlich, dass für den nächsten Tag, mit der Kundgebung in Dannenberg ein erheblicher Zuwachs an Menschen erwartet wurde, die im Camp zunächst untergebracht, in Bezugsgruppen organisiert, und für die Blockade trainiert werden sollten. Für den Transport hatte x-tausendmal quer acht Busse, die nach der Kundgebung zwischen Dannenberg und Gedelitz pendeln sollten und alle Menschen ins Camp bringen sollten, die mitblockieren wollten. Dazu wurde eine umfangreiche personelle Betreuung organisert.
Die Debatte ging erstaunlich schnell und diszipliniert vonstatten. Dabei halfen eine Reihe von Verständigungszeichen, die angewendet wurden, um während der Rede einzelner Leute Zustimmung (Wedeln der erhobenen Hände), Ablehnung (gekreuzte Unterarme), Wortmeldung (ruhig erhobene Hand), Bitte um langsameres Sprechen (flache Hände nach unten) oder Bitte um lauteres Sprechen (flache Hände nach oben) mitzuteilen, ohne die Rede zu unterbrechen.
Nach anderthalb Stunden wurde die Sitzung beendet.

Scout

Kurze Zeit später war das Treffen der Scouts anberaumt. Auch dies fand im Saal statt. Anwesend waren 10 Leute, die sich - wie ich - für die Tätigkeit interessierten, und J. von der Ideenwerkstatt, der uns anhand von Karten in die Scout-Aufgabe einwies. Diese bestand darin, während der Blockade, wenn u.U. Straßen von der Polizei abgesperrt sind, oder auch Nachts über Wald- und Feldwege alle Menschen, die zur Blockade dazustoßen wollten, dorthin zu führen. Dazu wurden zunächst Karten verteilt, mitgeteilt, dass der Aktionsraum ungefähr im Viereck Laase - Gorleben - Erkundungsbergwerk Gorleben - Camp Gedelitz lag. Und vorab sollte jeder Interessierte zunächst selbständig die Gegend erkunden, Orientierungszeichen lernen, u.U. eigene Wegmarken setzen, und am nächsten Abend (Samstag) mitteilen, ob man sich der Aufgabe gewachsen fühlt.

In der Nacht von Freitag auf Samstag regnete es kräftig und schreckte alle ein wenig. Am Samstag bei morgendlicher Abkühlung und Sonnenschein konnte man wieder etwas zuversichtlich sein.

Am frühen Morgen machte ich meinen ersten Erkundungsgang nach Gorleben westlich der Straße mit gründlicher Beachtung der Querwege und einem anderen Rückweg. Danach Frühstück und dann begann das Aktionstraining.

Aktionstraining

Die Gruppe derer, die am Samstag vormittag an dem Aktionstraining teilnehmen wollten war so groß, dass die Gruppe geteilt wurde; eine Gruppe ging ins Zirkuszelt, meine Gruppe in den Saal. Bei uns wurde angekündigt, dass zwei Fernsehteams kommen wollten und Teile des Aktionstrainings filmen wollten. Wenn irgendein Teilnehmer dagegen etwas einzuwenden hätte, sollte er sich doch bitte der anderen Gruppe anschließen.

Das Aktionstraining teilte sich in drei Abschnitte.
1. Zunächst wurden die basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen erläutert und eingeübt. Dahinter steckt die Organisation in Bezugsgruppen von 8-10 Personen, die sich gegenseitig über ihre Motivation, ihre Absichten und Grenzziehungen genau unterrichten und Wege finden, wie die individuellen Bedürfnisse in der gemeinsamen Aktion umgesetzt werden können, die sich gegenseitig ihre genauen Personendaten geben und sich verpflichten, während der Aktion gegenseitig aufeinander aufzupassen. Dafür wird die Bezugsgruppe in Tandems, Zweier- oder Dreiergruppen aufgeteilt, die möglichst in der ganzen Aktion zusammenbleiben sollen. Grundsätzlich werden in den Entscheidungsprozessen der Bezugsgruppe keine Mehrheitsentscheidungen, sondern Konsensentscheidungen gesucht, also Lösungen, die für alle Beteiligten möglich sind. Diese Bezugsgruppen entscheiden letztlich über alles.
Im Sprecherrat werden die Entscheidungen der einzelnen Gruppen zusammengetragen, den in den Arbeitsbereichen tätigen Leuten vorgetragen, so dass den Absichten der Gruppen entsprechende Lösungen und Wege gefunden werden können. Zwar gibt es von den Arbeitsbereichen eine ganze Menge Vorschläge und auch Vorarbeiten, jedoch entschieden wird darüber ausschließlich in den Bezugsgruppen. Um unterschiedliche Positionen unkompliziert kommunizieren zu können, werden Zustimmungsgerade verwendet: 1. Zustimmung ohne jede Einschränkung, 2. Zustimmung mit leichten Bedenken (diese können in schnellen Entscheidungssituationen übergangen werden), 3. Zustimmung mit schweren Bedenken (diese müssen in jedem Fall mitgeteilt, aber nicht unbedingt berücksichtigt werden), 4. Beiseitestehen (eine eigene Beteiligung wird ausgeschlossen, gegen die Durchführung durch andere werden dagegen keine Einwände erhoben) und 5. Veto, bzw. Ablehnung.
Interessant war, wie sich die Teilnehmer diese Entscheidungsstruktur im Laufe der Aktion zu eigen machten.
Wurde zu Anfang von den Aktiven von x-tausendmal quer erwartet, dass sie Entscheidungen, Informationen, Strukturen vorgeben sollten, so wurde später ganz selbstverständlich die Entscheidungsbefugnis von den Bezugsgruppen ergriffen.

Gorleben-Karte

2. Zu den basisdemokratischen Strukturen gehörte eine bestimmte Form der Konsensfindung in fünf Stufen, der sogenannte Konsensfisch.
Vor dem Beginn des Gesprächs steht die Verteilung einiger Aufgaben: Wer moderiert, wer achtet auf die Zeit, wer macht Notizen, um als SprecherIn in den SprecherInnenrat zu gehen?
Das Gespräch wird dann in folgenden Schritten strukturiert:
1. Überblick und Fragestellung (Sammlung der relevanten Informationen und Festlegung einer genauen Fragestellung, über die zu entscheiden ist.)
2. Bedürfnisse, Ängste, Wünsche (In dieser Runde sollte jedeR zu Wort kommen und ihre/seine Bedürfnisse, Ängste und Wünsche benennen.)
3. Ideensammlung (Sammlung von Vorschlägen, die eine gemeinsame Aktion unter Berücksichtigung aller Bedürfnisse ermöglichen.)
4. Diskussion dieser Vorschläge und Formulierung eines möglichen Konsenses,
5. Abstimmung (Feststellung nach den 5 Zustimmungsgraden). Wird der Konsens abgelehnt, ist es möglich, in die Stufe 3, 2 oder 1 zurückzuspringen, je nach dem Grund der Ablehnung, es wird angenommen, dass einer dieser Punkte nicht ausreichend geklärt wurde und nur darum kein Konsens gefunden werden konnte.

3. Der letzte Abschnitt des Aktionstrainings beschäftigte sich mit zwei praktischen Übungen, dem „Durchfließen” einer Polizeikette und dem Verhalten bei der Räumung. Das Durchfließen einer Polizeikette ist die Taktik einer größeren Anzahl von Menschen eine Polizeiabsperrung zu durchdringen. Erste Voraussetzung ist, dabei in keiner Form eine bedrohliche Haltung anzunehmen. Die Menschen machen die Linie, in der sie auf die Polizeikette zugehen, möglichst breit (Fünf-Finger-Taktik: Der Zug ist unterteilt in fünf Abschnitte, die sich zunächst trennen, und dann weiter auffächern), damit ziehen sie auch die Polizeikette auseinander. Dann teilen sich die Menschen kollektiv auf in einzelne, die direkt auf Polizisten zugehen, vor diesen stehenbleiben, und diesen die Absicht erklären, durchgehen zu wollen, dabei ihre Gründe benennen und sich möglicherweise auch aufhalten lassen. Die anderen gehen durch die Lücken zwischen den Polizisten, die auf die Gruppe der ersten fixiert sind. Wenn die Mehrheit durchgegangen ist, weisen die hängengebliebenen darauf hin, dass die Mehrheit bereits durchgegangen ist, und sie können mit Sicherheit darauf rechnen, dann auch durchgehen zu können, bzw. darauf, dass die Polizeikette in dieser Situation abgezogen wird.

Das Verhalten bei der Räumung hängt vor allem davon ab, wie stark der Widerstand gestaltet werden soll. Jedem steht natürlich frei, nach der Aufforderung der Polizei mitzugehen und keinen Widerstand mehr zu leisten. Die nächste Stufe ist, sich wegtragen zu lassen. Dazu gibt es einen bestimmten Sitz, der den Polizisten das Wegtragen erleichtert: Man faßt mit beiden Händen unter den aufgestellten Knien hindurch und faßt mit jeder Hand das andere Handgelenk. Die Polizisten können dann an der Achsel, bzw. am Oberarm und am Unterarm unter dem Knie anfassen und einen sicher wegtragen. Wer mehr Widerstand leisten möchte, macht sich beim Wegtragen schlapp und kann dann nur wesentlich schwerer gefasst und getragen werden. Schließlich können sich mehrere Blockierende zusammen unterhaken und aneinander festhalten. Die Polizei wird dann versuchen, mit schmerzhaften Griffen oder mit dem Auseinanderhebeln der Arme oft mit dem Gummiknüppel die Leute voneinander zu lösen. Die x-tausendmal quer-Trainer demonstrierten diese Möglichkeiten, machten aber gleichzeitig deutlich, dass aus ihrer Sicht die Wegtrage-Variante die vorteilhafteste sei.

Großkundgebung Dannenberg

Nach dem Aktionstraining gingen beide Gruppen auf die Straße, um einen der Busse zur Kundgebung in Dannenberg zu erwischen. Von diesen war allerdings weit und breit nichts zu sehen. Nach einigen Telefonaten wurde klar, dass die Busse in der Umgebung von Dannenberg blockiert seien. Alle dachten an eine Polizeisperre. Wie sich aber später herausstellte, waren die Busse einfach nur von nachrückenden Autos zugeparkt worden. So beschlossen alle, es mit Autostop zu probieren. Und, obwohl es ca. 90 Menschen waren, kamen sie innerhalb einer halben Stunde auf den Weg nach Dannenberg. Etwa vier Kilometer vor dem Kundgebungsplatz ging nichts mehr, so dass unsere Fahrerin ihr Auto am Straßenrand stehen ließ und wir bei strahlendem Sonnenschein zu Fuß gingen.
Während des ganzen Marsches konnte man die Kundgebung bereits hören, manches sogar verstehen.

Auf der Kundgebung mit 50.000 Menschen auf zwei riesigen abgeernteten Maisfeldern bei Splietau, nahe Dannenberg sprachen Kumi Naidoo, Direktor von Greenpeace International, Annelie Buntenbach, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands, Kerstin Rudek, Vorsitzende der BI Umweltschutz Lüchow Dannenberg, Claas und Keit Chocholowitz, Bäuerliche Notgemeinschaft Lüchow Dannenberg, Lars-Ole Walburg, Intendant Schauspiel Hannover, Luise Neumann-Cosel, x-tausendmal quer, Dr. med. Michael Wilk, Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden und Martin Lemke, Republikanischer AnwältInnen Verein (RAV).
Ich selbst kam erst während der Rede von Kerstin Rudek auf dem Platz an, und die ganze Zeit während der Kundgebung kamen bis zum Schluß immer noch weitere Menschen auf den Platz. Besonders die Rede von Dr. Michael Wilk fand ich bemerkenswert.
Dazu gab es ein umfangreiches Musikprogramm.

Die Rückkehr ins Camp ging trotz der verstopften Straßen erstaunlich schnell und glatt vor sich.

Bezugsgruppe „Graue Zellen”

Am Abend im Camp gab es ein kurzes Treffen der Scouts, J. nahm einfach die Rückmeldungen von acht der interessierten Leute an, dass sie die Aufgabe leisten wollten.
Zum zweiten traf sich die Bezugsgruppe „Graue Zellen”, die bis dahin auf 12 Personen angewachsen war, von denen aber zwei erklärten, dass sie im Laufe des nächsten Tages abfahren müßten. Am Anfang stand der Austausch der Gedanken und Vorstellungen der einzelnen über die Frage, zu welcher Form des Widerstands jeder einzelne Teilnehmer bereit sei und wie dazu die ganze Gruppe stehe. Im Grunde gab es nur kleine Unterschiede dabei, die Gruppe war sich einig, in der Sitzblockade sitzen bleiben zu wollen, sich wegtragen zu lassen, ohne Polizeigewalt zu provozieren, und bei Androhung von Wasserwerfereinsatz sich entfernen zu wollen. Anschließend gab es eine Vorstellungsrunde, in der jedeR ein wenig von seiner politischen Geschichte und von seiner Motivation mitteilte.
Insgesamt war es eine sympathische und keineswegs gleichaltrige Runde.

Geologie

Einer unserer jüngeren Gruppenmitglieder war Geophysiker. Er hatte sich eingehend mit dem Salzstock Gorleben befaßt und stellte in der Gruppe die geologischen Gründe für die Untauglichkeit des Salzstockes Gorleben dar.
Salz verhält sich geologisch wie eine Flüssigkeit. Es bricht nicht, sondern kann sich verformen und bleibt dabei zusammenhängend. Aus diesem Grunde gibt es in Salzformationen Luftblasen, die mehrere hunderttausend Jahre alt sind. Dies ist der Grund, warum Salzformationen für eine Endlagerung als besonders geeignet erscheinen.
Zum Einlagern von Atommüll eignen sich allerdings nur Steinsalze (Natriumchlorid). Kalisalze enthalten kristallines Wasser. Bei einer Erhitzung - und die Castoren mit hochradioaktivem Müll haben an ihrer Außenseite über 1000 Jahre eine Temperatur von ca. 200° C - würde dieses kristalline Wasser aus den Kalisalzen austreten, die ganze Deponie würde absaufen, und das Wasser würde den Salzstock sprengen und austreten. Der Anteil an Steinsalz im Salzstock Gorleben ist allerdings viel kleiner, als ursprünglich gedacht. Der Raum würde für das geplante Endlager nicht ausreichen.

Zum zweiten liegt der Salzstock Gorleben auf einer riesigen Gasblase. Bekannt geworden ist dies bereits 1969 als von der DDR-Seite aus durch den Salzstock gebohrt wurde und der Austritt von Gas, vermischt mit Salzsäure zu einer Explosion des Bohrturms geführt hat, bei der zwei Menschen zu Tode kamen. Vor jeder Erkundung des Gorlebener Salzstocks war dies also bekannt. Bei den ersten Probebohrungen im Westen gab es einen Brand- und Explosionalarm nach dem anderen. Auch dies ist natürlich seit langem bekannt.

Zum dritten wird die Tonschicht über dem Gorlebener Salzstock durch einen mindestens 300 Meter tiefen, mit Geröll gefüllten eiszeitlichen Graben durchschnitten, die sogenannte „Gorlebener Rinne”. Durch diesen fließt Grundwasser, das die Oberfläche des Salzstocks ständig ablaugt – jedes Jahr bis zu 12.000 Kubikmeter Salz. Diese „Bruchstörungen sowohl im Salzstock als auch im Deckgebirge”, die „als Wanderwege für Wasser und Lauge dienen können” sorgen dafür, dass radioaktive Stoffe ins Grundwasser gelangen können.

Unseren Geophysiker empörte vor allem diese Ignoranz und Verlogenheit, mit der über Jahrzehnte schlicht Unsinn behauptet wird. Und das geht ja gerade genauso weiter!

Während der SprecherInnenrat tagte, machte ich noch einen schnellen Orientierungsmarsch im Dunkeln. Dann legte ich mich Schlafen. In dieser Nacht wurde es eiskalt (-4°C), am Morgen waren Eisplacken auf meinem Zelt, aber ich habe gut und warm geschlafen.

Sonntag

Über Nacht war aus dem Camp eine Zeltstadt geworden. Unsere Bezugsgruppe traf sich früh am Sonntag vor dem Frühstück. Der abendliche SprecherInnernrat hatte festgestellt, dass die Teilnehmer im Camp am Vortag auf ca. 1000 Personen angewachsen war. Er hatte beschlossen, dass um 9 Uhr alles für die Blockade gepackt sein sollte, und um 9 Uhr ein weiteres Treffen des SprecherInnenrates angesetzt. Ich war sehr erstaunt über die Vielfalt der Teilnehmer. Es gab Leute jeden Alters vom Baby bis zum Greis, sichtlich alle Schichten waren vertreten. Gegenüber der Normalbevölkerung waren wahrscheinlich Berufstätige zwischen 30 und 50 unterrepräsentiert.

Gegen 8 Uhr machte mich nochmals auf einen Erkundungsgang.
Um 9:30 Uhr erhielt ich von meinem Tandem-Partner per SMS die Nachricht, dass der Abmarsch unmittelbar bevorstehe, die Gruppe aber noch im Camp sei. Ich war etwa eine Viertelstunde entfernt und beeilte mich, ins Camp zurückzukommen. Als ich von Süden her ins Camp kam, sah ich die Leute über die Straße Richtung Norden abmarschieren. Ich schnappte meinen Rucksack und fragte bei meinem Tandem-Partner nach, ob sie schon unterwegs seien. Seine Antwort: Ja, und zwar im ersten Finger. Das bedeutete, dass ich den ganzen Zug überholen mußte. Zum Glück kannte ich ja den Weg, so konnte ich einige Abkürzungen machen, trotzdem war es ein Gewaltmarsch, bis ich meine Gruppe eingeholt hatte.

Inzwischen hatten wir Polizei-Kontakt: Zwei Reiter sperrten an der Spitze des Zuges eine Richtung, in die der Zug aber möglicherweise auch gar nicht gehen sollte. Ein Stückchen weiter stand dann eine Polizeikette von vielleicht 30 Polizisten im Wald. Es gab keinerlei Versuch, uns abzuhalten, auf die Straße zu kommen. Die Kette schirmte nur die Polizeiabsperrung im Bereich des Zwischenlagers ab, so dass weder ein Durchfließen der Kette nötig, noch sonst irgendwelche Obstruktionen zu überwinden waren. Mit knapp 1000 Personen ließen wir uns auf der Straße nieder und nahmen einen Raum von etwa 200 m längs der Straße ein.

Blockade

Es dauerte eine Weile bis alle Bezugsgruppen zueinander gefunden hatten und einen gemeinsamen Platz eingenommen hatten. Die „Grauen Zellen” lagen etwa 20 m hinter der Polizeisperre am Zwischenlager. Innerhalb der ersten Minuten nahm der Polizeikontakt von x-tausendmal quer Verhandlungen mit der Polizei auf, die umgehend erlaubte, dass Versorgungsfahrzeuge die Polizeisperre durchfahren konnten, so dass bereits nach 20 oder 25 Minuten auf der Straße ein Lautsprecherwagen von x-tausendmal quer von den Demonstranten jubelnd begrüßt wurde, gefolgt von einem Küchenwagen, einem weiteren Lautsprecherwagen, einem Sanitätswagen, einem Toilettenwagen, der 9 Dixie-Klos im Bereich der Blockade aufstellte, und schließlich einem Disco-Wagen, an dem allabendlich Tanz stattfand.

X-tausendmal quer hatte vor Beginn der Aktion im 1. Finger, also in unserem Abschnitt Flugblätter für die Polizei verteilt, die nun an die Polizisten ausgegeben wurden. Sie enthielten die Ziele der Aktion und eine Erklärung zum Verhältnis zur und über das beabsichtigte Verhalten gegenüber der Polizei.

Nach etwa 2 Stunden in der Blockade kam eine Durchsage, dass die Einsatzleitung der Polizei mitgeteilt habe, dass diese Flugblätter bei den Polizisten sehr gut angenommen und unter den Kollegen weitergegeben worden seien, und die Demonstranten darum gebeten würden, diese Flugblätter nach Schichtwechsel erneut an die dann diensthabenden Polizisten zu verteilen. Gleichzeitig wurde die erste warme Mahlzeit von unserer niederländischen mobilen Küche „Rampenplan” in der Blockade angekündigt.
Nachrichten über die verschiedenen Aktionen entlang der Castor-Strecke wurden regelmäßig mitgeteilt. Auf der Straße wurden Transparente entrollt und entlang der Straße an Bäumen befestigt. Auf der Hauptfläche der Straße hatten sich die Demonstranten häuslich eingerichtet, auf einem Fahrrad-/Fußweg daneben gab es regen Spaziergängerverkehr, der nicht abriß, so lange die Blockade ging. Während am Rand der Straße der Wald direkt anfing, gab es neben dem Fahrrad-/Fußweg einen ganz schön breiten Grünstreifen. Hier standen die Versorgungsfahrzeuge, hier fand der SprecherInnenrat statt, hier breitete sich die Küche mit ihrem Arbeitsbereich aus, und hier wurden alle möglichen Spiele gespielt. Sogar ein Kickerspiel wurde irgendwann gebracht. Abends wurden hier Feuertonnen aufgestellt.

Rampenplan

Die niederländische mobile Küche „Rampenplan” verdient einen eigenen Abschnitt, machte sie doch wie kaum etwas anderes die Stärke der kollektiven Aktion deutlich. Ich konnte nicht genau herausbekommen, wieviele Leute von Rampenplan eigentlich da waren; vielleicht waren es acht. Dabei hat diese Küche während der ganzen Aktion alle Menschen, die da waren, nahezu ununterbrochen versorgt, egal ob es 300 oder 4000 waren. Jeder Mensch, der wollte, wurde in dieser Küche sofort angestellt zum Schnippeln oder Schälen, zum Brotschneiden oder Rühren, zum Essen ausgeben oder Spülen usw.usf. Die ganze Zeit gab es heißen (wirklich!) Kaffee, Kräuter- und schwarzen Tee.

Die Küche kocht vegan und verwendet nur regionale, saisonale und biologisch angebaute Produkte. Sie arbeitet ausschließlich auf Spendenbasis. Und es war geradezu unglaublich, wie schnell diese Küche funktionierte, ganz abgesehen davon, dass das Essen wirklich ausgesprochen lecker schmeckte und gut gewürzt war. Am Samstag stand die Küche mit einer Kürbissuppe auf dem Kundgebungsplatz in Dannenberg. Und obwohl die Straßen verstopft waren, und alle ihre Mühe hatten, wieder zum Camp zurückzukehren, stand Rampenplan bei der Rückkehr der Demonstranten im Camp Gedelitz bereits mit einem dreigängigen Menu bereit. Als in der Nacht zum Dienstag die Polizei uns alle Stunde mit ihren Ansagen weckte, und gegen Mitternacht alle aufstanden und ihre Sachen packten, hatte Rampenplan ruckzuck ein Mitternachtsbuffet aufgestellt. Als am Dienstag morgen nach durchwachter Nacht mit der Polizeiräumung gegen 8 Uhr die Blockierenden so nach und nach im Camp Gedelitz wieder eintrafen, stand Rampenplan mit einem Frühstück bereit. Unglaublich!

Am Dienstag morgen, kurz vor meiner Abfahrt habe ich mit einem der alten Hasen von Rampenplan gesprochen und ihn gefragt, ob er in den Tagen überhaupt geschlafen habe. Er sagte grinsend in seinem holländischen Slang: „Na, so twej bis drej Stünden. Aber du weißt ja ...” und dann machte er eine Geste, mit der er andeutete, dass seine Gedanken auch im Schlaf weitergelaufen waren.

Solidarität

Der SprecherInnenrat verabschiedete eine Solidaritätserklärung mit den Schotterern und einen Protest gegen den brutalen Polizeieinsatz gegen die Schotterer. Alsbald wurde eine neue Rufparole erfundenen: „Schottern, Blockieren, Hand in Hand, einig ist der Widerstand!” Als später am Abend bekannt wurde, dass es trotz der Polizeiknüppelei gelungen war, die Schienen auf 150 m Länge vom Schotter zu befreien, so dass die Schiene frei in der Luft schwebte, und dass aus diesem Grunde der Castorzug bei Dahlenburg auf freier Strecke übernachten mußte und zu diesem Zweck eine Festung aus Nato-Draht um ihn herum errichtet wurde, war der Jubel groß. Am späten Nachmittag wurden zum ersten Mal Scouts gebraucht, ich brachte eine Gruppe zurück ins Camp Gedelitz und einiges Gepäck von dort wieder in die Blockade. Allerdings mußte ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht durch den Wald, man konnte einfach an der Polizeisperre vorbei die Straße gehen. Auf dem Rückweg begegneten mir zwei Weißrussen, die in die Blockade wollten, und während ihres Weges immer wieder die Anlage des Zwischenlagers mit seinem Hochsicherheitstor mit dreifacher Schleuse, die verschiedenen Polizeifahrzeuge usw. fotografierten.

Ich hatte bereits davon gehört, dass eine größere Gruppe von Weißrussen aus der Tschernobyl-Region während der Castor-Aktionen ins Wendland gekommen waren. Einerseits waren sie geschockt über die Sicherungstechnik des Zwischenlagers und die Ausrüstung und Bewaffnung der Polizei, andererseits waren sie ganz erstaunt, dass ich die Polizisten freundlich begrüßte, wenn ich an ihnen vorbeiging, und keinerlei Angst hatte, dass mir irgendetwas passieren könnte. Ich hatte etwas Mühe, ihnen das auf Englisch, das sie noch schlechter konnten als ich, zu erklären.
Gleichzeitig genoss ich den unglaublich schönen Sternenhimmel, es war schon wieder frostig - noch früher als am Vortag - aber klar, und das versprach zwar eine kalte, aber wenigstens trockene Nacht.

Am Sonntag abend hatte sich die Anzahl der Blockierenden etwa verdoppelt und der Zustrom an weiteren Menschen riss nicht ab. Die Bauern lieferten Stroh und Silo-Folie nach, so dass sich alle bequem einrichten konnten. Die Nacht war zwar anfangs frostig kalt, aber ab Mitternacht zog sich der Himmel immer weiter zu und es wurde deutlich wärmer.

Am nächsten Morgen - Montag morgen - war ich von meiner Bezugsgruppe mal wieder in den SprecherInnenrat geschickt worden und dort wurde bekannt gegeben, dass die Anzahl der Blockierenden bei über 2000 liege und dass im Laufe des Tages eine weiter wachsende Zahl zu erwarten sei, so dass das Moderatoren-Team eine Veränderung der Entscheidungsstrukturen vorschlug, um den SprecherInnenrat einsatzfähig zu erhalten. Es wurde vorgeschlagen, dass sich jeweils 8-10 Bezugsgruppen zu einer Nachbarschaftsgruppe zusammenschließen sollten, die einen eigenen Nachbarschaftsrat aus den SprecherInnen der Bezugsgruppen bilden sollte, aus dem dann jeweils eine Person als SprecherIn und eine weitere Person als BeobachterIn in den SprecherInnenrat kommen sollte.
Natürlich bedeutete dies, dass jeweils zwischen den Bezugsgruppentreffen und dem SprecherInnenrat diese Nachbarschaftsräte zusammenkommen müssten. Am Ende des SprecherInnenrates stellten sich alle Anwesenden SprecherInnen in der Reihenfolge ihres Platzes in der Blockade auf und bildeten diese Nachbarschaften.
In den Bezugsgruppen wurde der Plan durchweg angenommen. Unsere Nachbarschaft nannte sich „Feuertonne”.

Die neue Struktur führte allerdings zu einer Vervielfachung der Treffen, so dass an diesem Montag fast ununterbrochen entweder die Bezugsgruppen oder die Nachbarschaftsräte oder der SprecherInnenrat zusammentrat.

Konsensfisch

Am Vormittag, als ich von einem meiner Gänge zurückkam, fand ich meine Bezugsgruppe in heftiger Diskussion. Es war die Frage aufgekommen, ob in der Blockade so etwas wie Barrikaden gebaut werden sollten oder könnten.
Es gab eigentlich zwei Ideen, die damit zusammenhingen. Manche Bezugsgruppen hatten vorgeschlagen, Baumstämme auf die Straße zu holen als zusätzliche Hindernisse. Andere hatten vorgeschlagen, je drei Baumstämme zu großen zeltförmigen Schutzgestellen zusammenzubauen und in die Blockade zu stellen. Drei Bezugsgruppen hatten solche Konstruktionen bereits gebaut, oder waren dabei. Deren Argumentation lautete folgendermaßen:
Diese Konstruktionen werden von der Polizei als „einsturzgefährdete Bauwerke” gewertet, und das verhindert den Einsatz von Wasserwerfern.

In unserer Bezugsgruppe wurde erstaunlich erbittert argumentiert, ohne dass eine Einigung in Sicht schien. Die eine Seite argumentierte, diese Pyramiden, ebenso wie die Baumstämme in der Blockade stellten eine Verschärfung dar, die auch die Polizei zu einer Eskalation bringen würde. Damit sei die gemeinsame Haltung der Bezugsgruppe, sich Polizeigewalt nicht aussetzen zu wollen, infrage gestellt. Die anderen argumentierten, die Verwendung von Baumstämmen als Hindernissen in der Blockade, ob als einfache Hindernisse oder als Pyramidenbauten stellten keine Gewalt dar, damit sei dies von dem Aktionskonsens von x-tausendmal quer gedeckt. Und außerdem hätten die Grauen Zellen weder die Möglichkeit, noch das Recht, anderen Bezugsgruppen vorzuschreiben, wie sie sich verhalten sollten.

Nach einer Weile Zuhörens schaltete ich mich in das Gespräch ein. Meiner Ansicht nach drehe sich das Gespräch im Kreis, weil bestimmte Dinge nicht ausgesprochen würden und eigentlich nur schematische Argumente gegeneinander gestellt würden. Ich forderte die Gruppe auf, sich an den Konsensfisch zu erinnern. Wenn nach durchlaufen dieser Gesprächsstruktur kein Konsens gefunden werden könne, so liege das daran, dass in den ersten drei Abschnitten der Austausch nicht gründlich und genau genug gewesen sei. Daher müssten wir erneut zu diesen drei Phasen zurückkehren. Für mich sei bereits die Fragestellung nicht ausreichend geklärt: Konsens sei doch wohl, dass unsere Gruppe keine Barrikaden bauen wolle. Gehe es also um das Verhalten gegenüber anderen Bezugsgruppen oder gegenüber der Polizei - das müsse man auseinanderhalten. Zum zweiten schienen mir hinter den Argumenten unterschiedliche Bedürfnisse und Ängste gegenüber der kommenden Situation zu liegen, die nicht wirklich ausgesprochen seien.

Das letzte Stichwort löste bei zweien unserer Gruppe ein dankbares Statement aus. L., ein 80-jähriger Mann, der erst kürzlich eine schwere Herzoperation hinter sich gebracht hatte, sagte, dass er aus gesundheitlichen Gründen überhaupt kein Risiko eingehen könne und wolle, und deswegen große Angst vor der Räumung habe. Auch A., ein Hamburger Kaufmann, äußerte die Befürchtung, dass er in eine nicht mehr beherrschbare und von ihm gewünschte Situation geraten können.

Ich fragte darauf, ob denn die Gruppe sich darauf verständigen könnte, dass im Falle einer Eskalation die Tandems innerhalb unserer Gruppe sich darauf verständigen könnten, die Blockade evtl. so frühzeitig zu verlassen, dass diejenigen, für die diese Situation beängstigend werden würde, gar nicht in Polizeikontakt kommen würden.
Das war für alle eine annehmbare Einigung - und ja eigentlich auch sowieso selbstverständlich.

Drei Pyramiden wurden übrigens gebaut und in die Blockade gestellt und während der Räumung von der Polizei einfach zur Seite gestellt. L. hat nach der ersten Räumungsankündigung die Blockade verlassen, A. wurde aus der Blockade getragen.

Den Tag über gab es immer wieder Besuch. Ein Chor mit 50 Sängern kam, ein großer Posaunenchor mit ca. 35 Bläsern besuchte die Blockade und spielte ungefähr eine Stunde. Eine Samba-Gruppe spielte an verschiedenen Punkten der Blockade immer wieder.

Scouts

Etwa gegen Mittag wurden die Scouts erneut gerufen. J. erteilte uns den Auftrag, selbständig einen Abholdienst von Gorleben her zu organisieren. Die Polizei hatte die Kreuzung in Gorleben selbst und die Straße bis zu unserer Blockade gesperrt. Im Dorf Gorleben gab es zwei Anlaufpunkte - beides angemeldete und genehmigte Veranstaltungen, die zu besuchen daher niemandem untersagt werden konnte - einen Infopunkt am westlichen Ortseingang und eine Mahnwache in der Ortsmitte östlich der zentralen Straßenkreuzung. An diesen Anlaufpunkten kamen laufend Menschen an, die vorher beim Schottern oder bei der Schienenblockade „Wider Setzen” der Bürgerinitiative Lüchow Danneberg waren, und die den Weg in die x-tausendmal quer-Blockade nicht kannten.
Diese Leute sollten in die Blockade geführt werden. So vereinbarten wir einen Rhythmus, bei dem stündlich jemand losging, um die Leute abzuholen. Bald waren wir in Gorleben erwartete Leute und es erschallte durchs Dorf: „Der Scout ist da!”, und jedesmal nahmen wir 40-80 Leute mit.

Die Polizei - inzwischen war es eine Einheit aus Sachsen - machte sichtlich Dienst nach Vorschrift. Wollte man im Dorf von einem der Anlaufpunkte zum anderen, mußte man eigentlich über die gesperrte Kreuzung. Die Polizisten teilten einem das auch mit und ließen uns dann ungehindert über den angrenzenden Hof eines Hauses von der einen Dorfhälfte in die andere passieren. Als ein anderer Scout mit einer Gruppe, zu der einige Kinder gehörten, die Straße kreuzen wollte, wurde er mit der ganzen Gruppe durchgelassen. Traf man im Wald ein Polizeifahrzeug, hielten sie nicht mal mehr an, um zu fragen, wo man hinwollte.
Der Weg von Gedelitz war von uns inzwischen so sicher markiert, dass von dort den ganzen Tag über Gruppen von Menschen selbstständig in die Blockade kamen.

Den ganzen Tag über führte das Moderations- und Trainingsteam für die Neuankömmlinge Treffen zur Bezugsgruppenfindung und Kurz-Aktionstrainings durch. So waren wir am Abend des Montag etwa 4000 Menschen in der Blockade, die sich auf ca. 600 m Straßenlänge ausgedehnt hatte und inzwischen wurde deutlich dichter gelagert, stellenweise war es schwierig, über die Straße zu gelangen.

Räumung

Am Montag abend war klar, dass die Räumung unserer Blockade näher rückte. Die geschotterte Strecke war wieder repariert, die Gleisblockade „Wider Setzen” der Bürgerinitiative Lüchow Dannenberg geräumt, die Aktivisten von Greenpeace, die sich in Dannenberg auf der Straßenkreuzung von einem Biertransporter aus in einem in der Straße verankerten Betonblock festgekettet hatten, waren losgeschnitten. Die Verladung der Castoren auf die Tieflader hatte länger als sonst gedauert, weil die Einsatzleitung der Polizei auf einer genauen Strahlenmessung jedes einzelnen Castoren bestanden hatte. Auch damit machte die Polizei einmal mehr deutlich, dass dieser Transport auch für die Polizei und die einzelnen Polizisten eine Belastung darstellt, die eigentlich nicht tragbar ist.

Wenn man bedenkt, dass während des Straßentransportes von Dannenberg ins Zwischenlager Gorleben Polzisten in Kette rechts und links den Tiefladern entlang gehen müssen, jeweils solange, bis die Dosimeter, mit denen sie ausgestattet sind, anzeigen, dass sie die zulässige Jahresdosis an radioaktiver Bestrahlung abgekriegt haben, und sie dann gegen andere Polizisten ausgetauscht werden, wenn man weiter bedenkt, dass diese Strahlung ja keineswegs die einzige Strahlung ist, die die Polizisten abkriegen, sondern eine zusätzliche, wenn man schließlich bedenkt, dass ein einziger dieser Castoren mehr radioaktives Material enthält, als bei dem Super-GAU 1986 in Tschernobyl frei wurde, dann wird deutlich, welch menschenverachtendes Handeln unsere Politik da an den Tag legt.

Nun standen die Castoren also bereit für den letzten Abschnitt ihrer langen Reise quer durch Europa. Und das einzige noch bestehende Hindernis war unsere Straßenblockade direkt vor dem Zwischenlager. Allerdings waren an diesem Montag Abend erst etwa 80 Polizisten an der Absperrung und an eine Räumung von 4000 Blockieren war so natürlich nicht zu denken.
Offensichtlich gab es die Nachricht, dass Verstärkung im Anmarsch sei, denn ab 22 Uhr begann die Polizei mit den obligatorischen Durchsagen, die jeweils dreimal wiederholt werden müssen. Die erste Durchsage war die juristisch exakt formulierte Mitteilung, dass die Versammlung auf der Straße nicht erlaubt sei und wir uns entfernen sollten. Diese Durchsage wurde in ihrer bürokratisch-juristischen Form verlesen. Anschließend erklärte ein Polizist, was diese Ansage bedeuten solle und wie die Polizei nun weiter vorgehen werde. Daran anschließend erklärte dann der x-tausendmal quer-Rechtsanwalt, dass das noch lange dauern könne, und wir noch etwas schlafen könnten. Eine Viertelstunde später wurde die zweite Wiederholung verlesen. Kurze Zeit später kam von x-tausendmal quer die Nachricht, dass die Bauern die südliche Straße zum Zwischenlager hin bei Gedelitz mit einem großen Sandberg und in Dünsche mit einer Treckerblockade geschlossen hatte, so dass die Verstärkung der Polizei wohl noch auf sich warten ließe.

So kam die nächste Durchsage auch erst kurz nach Mitternacht, nun verbunden mit der 1. Ankündigung der Räumung. Obwohl eigentlich klar war, dass diese noch in weiterer Ferne liegen würde, veranlaßte diese Durchsage viele, ihre Rucksäcke zu packen. Das brachte natürlich Unruhe in die Blockade, Rampenplan reichte ein Mitternachtsbuffet, per Lautsprecherwagen wurde eine Gruppe von weiteren 40 Blockierern begrüßt, die die Straße aus dem Camp Gedelitz erreichten und es entstand eine aufgedrehte, belustigte, fast freudige Stimmung. Als bekannt wurde, dass die beiden Bauernblockaden in Dünsche und Gedelitz immer noch bestanden, legten sich die meisten wieder schlafen. Tatsächlich kam die zweite Räumungsankündigung dann erst um 3 Uhr, die dritte um 3:15 Uhr, und dann begann die Räumung.

Die Polizei hatte nun ihre Verstärkung erhalten, so dass genug Polizisten zum Wegtragen der Leute da waren. Aber sie hatte nicht genug Kräfte, um die bestehende Blockade zum Wald hin abzuschirmen. Das hieß, alle weggetragenen Leute gingen einige Meter im Wald weiter und kehrten dann in die Blockade zurück. Es dauerte eine dreiviertel Stunde bis die Polizei damit begann, eine Kette zu bilden, die sich entlang der Blockade aufstellte und die Leute, die aus dem Wald kamen, daran hinderte, sich erneut hinzusetzen. Und auch dann war das noch nicht ausgeschlossen. Als unsere Bezugsgruppe geräumt war, trafen wir uns zunächst im Wald wieder. Einige hatten nun genug und wollten zum Camp Gedelitz zurück, andere wollten versuchen, erneut in die Blockade zu kommen.

So beschlossen wir, uns nur noch in den Tandems zu bewegen. Mein Tandem-Partner HP. schlug vor, an der Polizeikette entlangzugehen, und zu sehen, ob es irgendwo möglich sei, durchzuschlüpfen. Direkt vor uns versuchte einer unserer Grauen Zellen mit einem Sprung durchzukommen, wurde aber aufgehalten, da das zu auffällig war. Ich sagte zu HP, dass wir die Unaufmerksamkeit der Polizisten einzeln ausnutzen sollten und uns dann in der Blockade wieder treffen sollten. Wir gingen der Polizeikette entlang. Es war offensichtlich, wer nicht wirklich aufpasste, so gelang es uns ganz einfach unmittelbar hintereinander wieder in die Blockade zu gelangen. Nachdem wir ein zweites Mal weggetragen worden waren, gingen wir nochmals an das Ende der Blockade und konnten beobachten, wie nun auch vom anderen Ende her mit der Räumung begonnen wurde. Wir sahen noch eine Weile zu, dann beschlossen wir, ins Camp Gedelitz zurückzugehen.

Im ersten SprecherInnenrat hatte es eine Andeutung gegeben, dass möglicherweise nach der Räumung an einem anderen Ort erneut blockiert werden sollte. Dies würde in jedem Fall vom Camp Gedelitz ausgehen. Dort angekommen stand Rampenplan mit einem Frühstück bereit, während von der Ideenwerkstatt von x-tausendmal quer, die einem möglichen Plan hätten ankündigen können, niemand zu sehen war. Von den anderen Leuten unserer Bezugsgruppe, die bereits vorher zurückgekehrt waren, konnte ich niemand finden.

So ging ich ins Info-Zelt und hielt nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau. Tatsächlich fand ich eine nach Oldenburg/Leer, rief die angegebene Nummer an, erhielt aber die Mitteilung, dass das Auto bereits voll sei. Eine Viertelstunde später rief M. mich erneut an und sagte, ich könne doch mitfahren, sie wolle aber in einer Viertelstunde los. Das war natürlich etwas überstürzt. Ich mußte mein Zelt noch abbauen, entschloß mich aber trotzdem, die Gelegenheit zu ergreifen.

Zurück

Zu Hause erfuhr ich, dass das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) die sofortige Vollziehung der Verlängerung des Rahmenbetriebsplans und der Zulassung des Hauptbetriebsplans für das sogenannte Erkundungsbergwerk Gorleben angeordnet, damit also die Weitererkundung von Gorleben erlaubt hat, und dass der Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der Bundestagsdebatte sagte: "Die Demonstranten haben politisch nicht das Recht, gegen eine demokratische Entscheidung zum zivilen Ungehorsam aufzurufen. (...) Die Straße hat keine höhere Legitimation als Parlament und Gesetz."
Das Demokratieverständnis, das sich hierin äußert, welches die Hinterzimmer-Geheimverträge der Bundesregierung mit den Stromkonzernen für demokratisch legitimiert behauptet, entspricht den jahrzehntelangen, methodischen und schamlosen Lügen der Politiker aller Parteien. Ich werde wohl nächstes Jahr wieder den Castor blockieren.

Oldenburg, den 17. November 2010